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Vom Tausch ausgeschlossen…

Das Gesundheitssystem schreibt den Wechsel zwischen wirkstoffgleichen Generika aus Kostengründen vor. Bei bestimmten Wirkstoffen kann das kritisch sein, bei aut-idem-Verweigerung droht jedoch die Retaxation.
Nun scheint die lange geforderte Liste mit Wirkstoffen erste Form anzunehmen, die vom aut-idem-Gebot ausgenommen sind. Ab 1. April 2014 müssen für Ciclosporin und Phenytoin genau die verordneten Fertigarzneimittel abgegeben werden. [1]

Als Kriterien sollen allgemein gelten [1]:

  • Die Häufigkeit, mit der Ärzte ein Austauschverbot durch Ankreuzen des Aut-idem-Felds festlegen.
  • Die Häufigkeit, mit der Apotheker die Abgabe eines Rabatt-Präparats wegen einer „erheblichen Gesundheitsgefährdung des Patienten“ ablehnen.
  • Die geringe therapeutische Breite des Wirkstoffs nach Maßgabe der Kriterien der „Critical Dose Drug“ (CDD).
  • Ein nach Arzneimittelzulassung und Fachinformation erforderliches Drug-Monitoring bei Umstellung auf ein anderes wirkstoffgleiches Arzneimittel.

Die Beeinträchtigung der Adhärenz der Patienten ist kein gültiges Kriterium.

Critical Dose Drugs sind „Wirkstoffe mit einem engen therapeutischen Bereich, die meist eine große intra- und interindividuelle Variabilität der pharmakokinetischen Parameter zeigen, und bei denen eine Über- oder Unterdosierung schwerwiegende, ggf. lebensbedrohliche Folgen haben. Daher werden diese Wirkstoffe üblicherweise so dosiert, dass ihre Plasmaspiegel in einen definierten Bereich fallen – den Ziel- oder therapeutischen Bereich. Unterhalb dieses Bereichs bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wirkung aus, darüber treten unerwünschte Wirkungen auf.“ [2]

Diese Kriterien werden durch zahlreiche weitere Wirkstoffe erfüllt, z.B. Digoxin, Lithium, Theophyllin, Carbamazepin, Tacrolimus oder Sirolimus. Wirkstoffe, deren Dosierung nicht per Plasmaspiegel, sondern über pharmakodynamisches Monitoring eingestellt wird, wie z.B. Vitamin K-Antagonisten, L-Thyroxin, müssen ebenso wie Wirkstoffe mit kinetischem Monitoring als Critical Dose Drugs gelten.
Insofern ist zu hoffen, dass die Liste im Sinne der Arzneimitteltherapiesicherheit um diese Wirkstoffe ergänzt wird. Die möglicherweise höheren Arzneimittelkosten könnten angesichts der Folgen einer Fehldosierung durch niedrigere Folgekosten ausgeglichen werden.
Die ersten beiden Punkte auf der Kriterienliste zeigen, dass der Inhalt der Liste auch vom verantwortungsvollen Umgang der Ärzte und Apotheker mit dem aut-idem-Kreuz und den pharmazeutischen Bedenken abhängen wird.
[1] F Staeck: Klarheit für Ärzte – Liste mit Austauschverboten kommt. Ärzte Zeitung online, 09.01.2014
[2] A Johnston et al.: Simple Bioequivalence Criteria: Are They Relevant to Critical Dose Drugs? Experience Gained From Cyclosporine. Therapeutic Drug Monitoring 1997; 19(4):375-381

2 Gedanken zu „Vom Tausch ausgeschlossen…“

  1. Ich halte diese Liste für unnötig. Durch die Möglichkeit der pharmazeutischen Bedenken wurde mir ein Mittel in die Hand gegeben patientenindividuell zu entscheiden, ob der Austausch zumutbar ist oder nicht. Diese Liste nimmt mir die Möglichkeit, patientenindividuell zu entscheiden. Hier gilt dann nur die Verordnung. Auch wenn dann der Facharzt ein anderes Genericum aufschreibt als der weiter versorgende Hausarzt. Noch schlimmer wird es dann, wenn aus dieser Liste für die nicht aufgeführten Wirkstoffe eine absolute Austauschpflicht festgelegt wird.

    1. Im Prinzip stimme ich zu: wenn jeder das Instrument der pharmazeutischen Bedenken fachgerecht wahrnimmt, braucht es die Liste nicht.
      Aber die Literatur enthält etliche Berichte über unerwünschte Wirkungen beim aut-idem-Austausch kritischer Wirkstoffe. Und in den allermeisten Fällen schreibt man ja über solche Vorkommnisse keine Fachartikel, das ist also nur eine winzige Eisbergspitze, die wir da sehen.
      Bei den kritischen Arzneimitteln halte ich es für den Patienten für sicherer, wenn die Substitutionspraxis „umgedreht“ wird, der Normalfall also keine Substitution ist. Die pharmazeutischen Bedenken können und müssen trotz der Liste eingesetzt werden, das ist klar – und zwar im Ausnahmefall (z.B. wenn Weiterverordnungen durch einen anderen Arzt mit einem anderen Fertigarzneimittel erfolgen) auch für kritische Wirkstoffe (ich weiß, so ist es im Moment -noch?- nicht vorgesehen).
      Eine Austauschpflicht bei allen nicht-gelisteten Wirkstoffen im Umkehrschluss darf es natürlich nicht geben. Das Mittel der pharmazeutischen Bedenken muss erhalten bleiben – schon um den Spielraum einer individuellen Beurteilung und Entscheidung zu gewährleisten.
      Danke für den kritischen Beitrag!
      Dorothee Dartsch

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