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"Einfache" Medikationsanalyse am Fallbeispiel

Analyse Lupe © fotomek | stock.adobe.comPersonen:

  • Rena Clear, Apothekerin
  • Distrib Volum, Pharmazeut im Praktikum

Clear: Guck mal, Distrib. Dr. Kinet hat uns eine Medikationsliste zum Analysieren da gelassen, bevor sie in den Urlaub gefahren ist. Sie sagt, man könne auch an solchen Listen schon viel erkennen, selbst wenn man gar keine weiteren Daten hat. Da steht nur, dass es sich um eine 79-jährige Patientin handelt.
Volum: Lass mal sehen, was haben wir denn alles auf der Liste? Oh, die ist ja nicht gerade kurz:

  • Amlodipin 5 mg 1-0-0
  • ASS 100 mg 1-0-0
  • Codein / Paracetamol 30 / 500 mg nach Bedarf, max. 4x tägl.
  • Lisinopril 5 mg 1-0-0
  • Metformin 1000 mg 1-0-1
  • Omeprazol 40 mg 1-0-0
  • Paracetamol 1000 mg 1-0-1
  • Paroxetin 20 mg 0-0-1
  • Pioglitazon 15 mg 0-1-0
  • Senna-Tabletten 0-0-3
  • Sucralfat 1 g 1-1-1-1
  • Valproinsäure 250 mg 1-0-1
  • Vit. B12 i.m. 1x monatlich

Clear: Hm, wo fangen wir denn da an?
Volum: Ich glaube, ich würde die Liste gerne erstmal sacken lassen und in Ruhe die möglichen Indikationsgebiete raussuchen. Sonst habe ich so gar kein Bild, was da los sein könnte.
Clear: Gute Idee, dann machen wir später mit den Einzelheiten weiter.
Volum: Gut. Bis dann!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, können Sie den beiden helfen? Dann freuen wir uns, wenn Sie die Kommentarfunktion unten verwenden und dort Ihre Einschätzung weitergeben. Die Auflösung folgt mit dem nächsten Newsletter.
Mit besten Grüßen,
Dorothee Dartsch
Inzwischen ist auch der weitere Verlauf „aufgedeckt“ worden:
Teil 1: Diskussion über mögliche Indikationen
Teil 2: Diskussion über arzneimittelbezogene Probleme
Teil 3: Pharmazeutische Interventionen

16 Gedanken zu „"Einfache" Medikationsanalyse am Fallbeispiel“

  1. Pingback: Newsletter Nr. 05/2015 | Campus Pharmazie

  2. Hallo,
    ich postuliere einmal folgende Verschreibungskaskade:
    1. ASS führte in Kombination mit Paroxetin zu Magenblutungen.
    2. Daher die Verordnung von Omeprazol und Sucralfat.
    3. Die Sucralfat bedingte Obstipation führte zur Verordnung der Senna-Tabletten.
    Steckt aber sicher noch mehr in dieser Polymedikation.
    Viele Grüße
    Werner Brand

  3. @ Werner Brand
    Auch Kodein führt als Opiat zu Verstopfung. 3 Senna-Tbl. abends kann auch auf eine hohe Kodein-Einnahme hindeuten. Bis 4 x täglich als Bedarfsmedikation läßt die Frage aufwerfen, ob Paracetamol als Basis-Schmerzmittel ausreichend wirksam ist. Zudem ist die Einzeldosis für eine geriatrische Patientin sehr hoch. Schöpft sie zudem die Gesamtmenge der Bedarfsmedikation aus, liegt sie täglich bei 4000 mg Paracetamol. Ist das für eine 79-Jährige auf Dauer verträglich? Wie reagieren die Nieren?
    Die Verordnung von Omeprazol (als Magenschutz?) läßt vermuten, dass hier auf den Einsatz der stärker wirksamen NSAR sowie Methamizol verzichtet wird.
    Zu hinterfragen ist auch die Therapie des Diabetes mit 2 Arzneistoffen.
    Gruß Elisabeth Thesing-Bleck

  4. Ist die Dosierung von Omeprazol 40mg indikationsgerecht? Warum ist Sucralfat zusätzlich nötig?
    Auch ich halte 4g Paracetamol für etwas viel in diesem Alter.
    Paroxetin ist nicht ideal in Kombination mit der Schmerzmedikation, weil es die Aktivierung von Codein in die Wirkform Morphin hemmt und dadurch kann Codien nicht wirken.
    Aufgrund des Alters der Patientin würde ich auch die Nierenfunktion anschauen (Metformin)

  5. • Amlodipin 5 mg 1-0-0 (2.a.)
    • ASS 100 mg 1-0-0 (4.)
    • Codein / Paracetamol 30 / 500 mg nach Bedarf, max. 4x tägl. (8.a+b.)
    • Lisinopril 5 mg 1-0-0 (2.b. + 3.)
    • Metformin 1000 mg 1-0-1 (1.a.)
    • Omeprazol 40 mg 1-0-0 (5.)
    • Paracetamol 1000 mg 1-0-1 (8.a.)
    • Paroxetin 20 mg 0-0-1 (7.)
    • Pioglitazon 15 mg 0-1-0 (1.b.)
    • Senna-Tabletten 0-0-3 (9.)
    • Sucralfat 1 g 1-1-1-1 (6.)
    • Valproinsäure 250 mg 1-0-1 (10.)
    • Vit. B12 i.m. 1x monatlich (11.)
    Indikationen bzw. Substanzklasse:
    1. Diabetes mellitus Typ II (a. Biguanid; b. PPARƴ-Agonist)
    2. Hypertonie (a. Dihydropyridin / Calcium-Antagonist; b. ACE-Hemmer)
    3. Herzinsuffizienz
    4. Sekundärprävention / Reinfarktprophylaxe; Zustand bei instabiler KHK (TAH)
    5. Magensäure-bedingte Beschwerden; Ulkus-Prophylaxe (PPI)
    6. Ulcus-Behandlung
    7. depressive Erkrankungen; Zwangsstörungen (SSRI)
    8. Schmerz unterschiedlicher Genese (a. Cox-Hemmer; b.Opioid)
    9. Obstipation
    10. Epilepsie; bipolare Störungen
    11. Substitution von Nährstoffen bei Mangelzuständen (Folge von 5.+6.)
    Kurzbewertung anhand der Indikationen:
    Als gesichert kann Diab. mell. II gelten. Des Weiteren liegt eine schwerwiegendere Herz-Kreislauferkrankung vor. Dies wäre an sich schon eine Kontraindikation für das hier verwendete Glitazon. Außerdem ist eine Ulkuserkrankung des Magens oder des Zwölffingerdarms akut oder zurückliegend zu erwarten. Die Vit. B12-Substitution ist notwendig wg. der daraus folgenden Malabsorption. Zudem liegen Schmerzen unklarer Ursache vor. Aufgrund der entsprechenden Behandlung mit bis zu 120 mg Codein / Tag ist eine Obstipation unvermeidlich. Sucralfat kann diese noch verstärken. Paroxetin und Valproinsäure könnten u.U. der gleichen Indikation (Zwangsstörungen) oder auch unterschiedlichen Beschwerdebildern zugeordnet sein. Das SSRI und ASS erhöhen zusammen das Blutungsrisiko und sind bei vorliegendem Ulkus eine riskante Medikation.
    Auch ohne EDV-gestützten Interaktionscheck (momentan von mir nicht machbar), ohne Wissen von weiteren Kerndaten (Blutdruck, HbA1c, Gewicht, Größe etc.) der Patientin, weiteren Laborwerten, Allgemeinbefinden und natürlich der tatsächlich erhobenen Befunde ist ein hoher Optimierungsbedarf der Medikation zu erkennen.

    1. …na da bin ich aber gespannt, ob jetzt noch weitere Probleme gefunden werden 🙂 Vielleicht gibt es noch Ideen zu möglichen Indikationen? Lösungsvorschläge?
      Es grüßt
      Dorothee Dartsch

  6. Hallo, ich hätte noch eine weitere Idee:
    Das Paroxetin kann auch bei Fibromyalgie angewandt werden. Was auch die hohe Dosis an Schmerzmitteln erklären würde. Desweiteren kann die Valproinsäure zur Vorbeugung von Migräne eingenommen werden- auch ein mögliches Symptom der Fibromyalgie. Sollte das der Fall sein , könnte die Dame auf Tramadol umgestellt werden ( statt paracetamol), oder versuchsweise mit dem Antiemetikum Tropisetron behandelt werden.

  7. Noch eine Anmerkung zur Diabetes-Therapie:
    Pioglitazon ist ja mit Herzinsuffizienz assoziiert. Da die Dame ja schon kardial vorbelastet zu sein scheint (Hypertonie, TAH), ist dies – auch in Anbetracht des Alters – nicht gerade ein ideales Antidiabetikum. Zudem würde eine sich entwickelnde Herzinsuffizienz den Einsatz von Metformin gefährlicher machen (Laktatazidose). Besser wäre sicher zunächst eine Kombination des Metformins mit Insulin, bei weiteren Kontraindikationen für Metformin (Nierenfunktion) eine reine Insulintherapie.
    Zum Metformin ist mir noch folgendes aufgefallen:
    Laut der Literatur besteht in Einzelfällen die Gefahr einer megaloblastären Anämie durch Resorptionshemmung von Vit. B12 und Folsäure (s. Vit.B12 Substitution). Ähnliches gilt bei langfristiger Einnahme bei PPI (Vit.B12). Der Folsäure-Spiegel wiederum wird ja auch durch Valproinsäure gesenkt, was die Symptomatik der Anämie noch zusätzlich verschlimmert.

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