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Breite Leitbilddiskussion auf dem Apothekertag

Gespannt habe ich die Leitbilddiskussion heute Vormittag auf dem Deutschen Apothekertag verfolgt, die dankenswerter Weise als Livestream übertragen wurde und daher allen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit gab, die Diskussion zu verfolgen.

Zu Beginn stellte Mathias Arnold (Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt e.V.) den Status quo dar, den die Leitbild-Arbeitsgruppe erarbeitet hat. Anschließend wurde vor Ort und auch online aus der Ferne intensiv und meistens sachlich diskutiert.

Im Kern geht es darum, im Leitbild zu beschreiben, warum und wie wir Apotheker tätig werden wollen und sollen. Ausgangspunkt ist unser heutiges System mit all seinen Regularien und mit der bestehenden Honorierung für logistische Aufgaben sowie die Beratung bei der Abgabe jedes einzelnen Arzneimittels.

Dahinter steckt ein ganz wichtiger Punkt: Wofür will uns die Gesellschaft bezahlen? Da es hierzulande trotz hochwertiger Gesundheitsversorgung diverse „Lücken“ im Prozess der Arzneimittelversorgung gibt (unvollständige Medikationspläne, nicht rechtzeitig erkannte unerwünschte Wirkungen, Verordnung inadäquater Wirkstoffe oder Dosierungen, Non-Adhärenz etc.), die zu erheblichen vermeidbaren Kosten führen, gibt es Spielraum für Verbesserungen. Wenn wir diesen Spielraum nutzen und die Lücken füllen können, haben wir gute Chancen, dass diese Leistungen der Gesellschaft „lieb und teuer“ werden – und damit honorierungsfähig.

Keine Chance auf Honorierung werden Leistungen haben, die zu dicht an der o.g. Beratung bei Abgabe dran sind, sei es weil sie sich allein an der Machbarkeit aus heutiger Sicht orientieren oder weil wir die Übernahme weiter reichender Verantwortung für die Patienten und ihre Pharmakotherapie ablehnen. Bei der Verankerung eines stärkeren heilberuflichen Fokus im Leitbild und der damit verbundenen Definition neuer Leistungen (ob sie nun Medikationsmanagement oder anders heißen) muss vielmehr darauf geachtet werden, dass der medizinische und ökonomische Nutzen für unsere Gesellschaft erfahrbar ist: Mit diesen Leistungen muss es ihr besser gehen als ohne.

Das ist leicht gesagt, aber kein Katzen-, sondern ein Quantensprung, und darum ist es gut, dass die Leitbild-AG ihren Konzeptentwurf mit „Apotheke 2030“ überschrieben hat. Es wird eine Weile dauern, bis sich der Leistungsumfang konkret definieren lässt:

  1. Für Leistungen, die die o.g. Anforderungen erfüllen, bedarf es einer flächendeckenden Kompetenzausweitung und –stärkung in der Apothekerschaft, denn nur wenige haben bislang im Studium oder in der Praxis gelernt, wie man Laborparameter versteht, Dosierungen an Organfunktionen anpasst, Leitlinienempfehlungen auf ihre Anwendbarkeit bei konkreten Patienten überprüft oder Änderungsvorschläge optimal kommuniziert (um nur einige Facetten zu nennen). Der Bedarf an berufsbegleitender, kompetenzorientierter Fort- und Weiterbildung auf diesem Gebiet wird in unseren Reihen zunehmend erkannt und formuliert.
  2. Die Leistungen müssen entlang der parallel wachsenden Nutzendokumentation entwickelt werden. Nutzendokumentation ist ein wissenschaftlicher Prozess, der geeignete Messparameter des Nutzens (genannt „Endpunkte“) mit und ohne die untersuchte Leistung erfasst und daraus ableitet, welchen Stellenwert die Leistung in der Praxis hat.
  3. Nicht zuletzt wird ein geduldiges Ringen mit heilberuflichen Partnern, Kostenträgern und Gesetzgebern unvermeidlich sein. Niemand zahlt gern freiwillig, niemand lässt sich gern Klientelpolitik vorwerfen, und trotz aller Versicherungen, dass Apotheker die Therapiehoheit des Arztes nicht antasten wollen, sind die Befürchtungen um Konkurrenz und Einmischung groß.

Die gewählten Standesvertreter haben sich klar für die Fokussierung auf und den Ausbau unserer heilberuflichen Kompetenz rund um den Patienten und sein Arzneimittel positioniert und entsprechen damit dem Wunsch zahlreicher Kolleginnen und Kollegen nach „mehr Pharmazie“. Noch wichtiger: sie tragen damit dem gesellschaftlichen Bedarf Rechnung. Das ist gut.

Es steht zu hoffen, dass uns Apotheker auf diesem Weg Mut, Zuversicht und Elan nicht verlassen, damit der „große Wurf“ gelingt. Gelingt er nicht, werden wir für die nächsten Jahrzehnte keine zweite Chance haben. Es gibt viel zu tun – packen wir‘s an!

Dorothee Dartsch

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