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Orale Antidiabetika schützen vor Krebs

Neue Studienergebnisse

Insulin und sein Verwandter, der insulinähnliche Wachstumsfaktor, fördern das Wachstum von Krebszellen. Daher ist die Vermutung naheliegend, dass eine medikamentöse Korrektur der Blutzuckerspiegel und damit der Hyperinsulinämie, die im Frühstadium eines Typ 2-Diabetes mit Insulinresistenz typisch ist, das Risiko einer Krebserkrankung senken könnte.

Eine taiwanesische Studie der Universität von Taipeh hat nun anhand von Versicherungsdaten (Diagnosen, stationäre und ambulante Verordnungen) ergeben, dass Patienten, die wegen einer Diabetes mellitus-Erkrankung mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, ein geringeres Risiko hatten, an Krebs zu erkranken.

Ausgehend von der Erstdiagnose des Diabetes mellitus wurden die Daten der fast 33.000 Patienten sechs Jahre lang verfolgt und die Verordnungsdaten der antidiabetischen Therapie sowie die Häufigkeit einer nachfolgenden Krebsdiagnose im Vergleich zu einer Gruppe von knapp 66.000 Kontrollpatienten ohne Diabetes mellitus ermittelt.

Folgende Gruppen wurden ausgewertet und zeigten die angegebenen, nach Alter, Geschlecht, Einkommen, Co-Morbidität sowie Sulfonylharnstoff-, Thiazolidindion- und Insulinanwendung adjustierten ‚Hazard Ratios‘ (das ist das Verhältnis der Ereignis- (hier: Krebs-)häufigkeit in der Beobachtungs- und in der Kontrollgruppe):

  • Probanden ohne Diabetes mellitus: HR 1.00
  • Diabetes-Patienten ohne Behandlung: HR 1.58* (95%-Konfidenzintervall 1.47–1.68)
  • Diabetes-Patienten unter Metformin-Monotherapie: HR 1.50* (95%-KI 1.32–1.71)
  • Diabetes-Patienten unter anderen oralen Antidiabetika als Metformin: HR 0.95 (95%-KI 0.81–1.12)
  • Diabetes-Patienten unter Metformin-haltiger Kombitherapie: HR 0.51* (95%-KI 0.42–0.61)

Die HR zeigen, dass Diabetespatienten ohne Therapie ein erhöhtes Krebsrisiko gegenüber Nicht-Diabetikern zeigten, während unter Metformin-haltiger Kombitherapie ein niedrigeres Risiko bestand als bei Probanden ohne Diabetes mellitus.

Im Vergleich zur Nicht-Therapie reduzierten alle antidiabetischen Therapieregime das Krebsrisiko, bei den Metformin-haltigen Kombitherapien und den kein Metformin enthaltenden antidiabetischen Therapien war dieser Effekt signifikant.

Interessanterweise verlieh aber auch eine Metformin-Monotherapie Schutz vor Krebs, wenn die Dosierung ausreichend hoch war: In verschiedenen Dosierungsklassen wurden die folgenden HR gefunden:

  • Diabetes-Patienten ohne Behandlung: HR 1.00
  • Diabetes-Patienten unter Metformin-Monotherapie in der Dosierung:
  • <90 Defined Daily Doses (DDD): HR 1.09 (0.92–1.28)
  • 90-180 DDD: HR 1.09 (0.82–1.46)
  • 180-360 DDD: HR 0.77 (0.54–1.10)
  • 360-720 DDD: 0.40* (0.24–0.66)
  • 720-1080 DDD: HR 0.37* (0.18–0.74)
  • > 1080 DDD: HR 0.27* (0.09–0.84)

Patienten, die in den sechs Beobachtungsjahren mehr als 360 DDD Metformin erhalten hatten (1 DDD = 2000mg), hatten ein signifikant niedrigeres Krebsrisiko als Diabetes-Patienten ohne antidiabetische Therapie. Diese Beobachtung traf auch auf Patienten unter Metformin-haltiger Kombitherapie zu.

Auch in epidemiologischen Studien innerhalb kaukasisch-stämmiger Bevölkerungsgruppen wurde dieser Effekt bereits gefunden, jedoch beinhaltet die taiwanesische Studie detaillierte Untersuchungen zur Dosis-Wirkungs-Beziehung, die in den bisherigen Studien nicht unternommen wurden.

Diese Daten könnten zur Erhöhung der Therapietreue bei Typ2-Diabetikern ins Feld geführt werden.

* p<0.001

Quelle: HC Lin et al.: Effects of Metformin Dose on Cancer Risk Reduction in Patients with Type 2 Diabetes Mellitus: A 6-Year Follow-up Study. Pharmacotherapy 2013, first published online: 17 JUL 2013, doi: 10.1002/phar.1334

3 Gedanken zu „Orale Antidiabetika schützen vor Krebs“

  1. Pingback: Newsletter Nr. 07/2013 | Campus Pharmazie

  2. Es wird mir aus diesem Beitrag nicht klar, wie die tatsächliche drug dose sein muß, damit ein Krebsrisiko mit Metformin gesenkt wird.
    360 DDD heißt dann, dass der Patient an 5 Tagen sein Medikament nicht nahm? oder hat er über das Jahr weniger genommen? Bei 720 DDD heißt das dann, dass die Patienten fast 4000 mg /Tag erhalten (max.Dosis ist m.W. 3000 mg).
    Bitte erläutern Sie mir diese Daten, da wäre ich Ihnen sehr dankbar!! Geht etwas aus dem Originaltext hervor?
    Miot freundlichen Grüßen und bestem Dank vorab
    Marion Zellner

    1. Liebe Frau Zellner,
      die Angabe der DDD bezieht sich auf den 6-Jahres-Zeitraum des Follow-up. D.h. dass ein Patient innerhalb der sechs Jahre mindestens 360DDD erhalten haben muss, damit sein Krebsrisiko signifikant niedriger war. Er muss also im Schnitt 1 Jahr lang mit 2000mg/d oder 2 Jahre lang mit 1000mg/d behandelt worden sein – oder allen anderen ‚Aufteilungen‘, die in deses Raster passen.

      Aus diesen Daten lässt sich also kein individuelles Dosierungsschema ableiten.

      Aber da die OAD ja nur zur Diabetes-Therapie zugelassen sind, richtet sich das Dosierungsschema im konkreten Einzelfall ohnehin ausschließlich nach dem Bedarf des Patienten. Einem Patienten, der mit den von der WHO als durchschnittliche Tagesdosis festgestellten 2000mg behandelt wird, kann man also mitteilen, dass nach einem Jahr konsequenter Therapie sein Krebsrisiko nachweislich geringer ist als ohne Therapie.

      Anders wäre es, wenn die OAD zur Krebsprophylaxe zugelassen wären: dann bräuchte man ein Dosierungsschema, das auf diesen, oder -noch besser- den Daten einer randomisierten kontrollierten Studie beruht und sich nach der effektiven chemoprotektiven Dosis statt nach dem Blutzuckerspiegel richtet. D.h. dann müsste natürlich fixiert werden, wie lange eine bestimmte Dosis genommen werden muss.

      Ob es dazu jedoch kommen wird, hängt natürlich stark von der Verträglichkeit ab – zur Hypoglykämie führende OAD werden da vermutlich ausscheiden.

      Ich hoffe, meine Antwort hilft Ihnen weiter. Herzliche Grüße,
      Dorothee Dartsch

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