Ganz ehrlich, Pharmakokinetik ist doch was für matheverliebte Formeljongleure, aber hat nichts mit dem Alltag in der Apotheke zu tun. Oder doch?
Haben Sie schon einmal eine CYP-vermittelte Interaktion im Computer aufblitzen sehen? Oder dem Patienten einen Einnahmeabstand zwischen seinem Schilddrüsenhormon und dem Frühstücksmüsli empfohlen?
Oder sind Sie schon mal über den Hinweis gestolpert, dass ein Arzneimittel bei Patienten mit Niereninsuffizienz niedriger dosiert werden muss?
Dann beschäftigen Sie sich in Ihrem Berufsalltag ja doch mit Pharmakokinetik.
Eine weitere pharmakokinetische Frage wird uns aufgrund ihres zunehmenden Gewichtes in Zukunft vermehrt beschäftigen: Muss bei Patienten mit Adipositas die Dosis entsprechend ihres Körpergewichtes erhöht werden oder reicht die Standarddosis?
Das ist für jeden Wirkstoff individuell zu beantworten. In Abwesenheit klinischer Daten müssen wir abschätzen, ob die Adipositas-typischen körperlichen Veränderungen die Absorption, Verteilung oder Elimination beeinflussen – und wenn ja, wie. Die wichtigsten Veränderungen betreffen:
- die Verteilungsräume (durch ein erhebliches Mehr an Fettgewebe und etwas vermehrtes Muskelgewebe)
- die Eliminationsleistung (durch ein erhöhtes Herzzeit-Volumen, gesteigerte Nieren- und evtl. Leberfunktion).
Sich auf klinische Daten zu stützen, ist immer sicherer als die theoretische Abwägung. Aber da diese Daten noch selten in den Fachinformationen oder der ABDA-Datenbank zu finden sind, müssen wir uns entweder in die Primärliteratur wagen oder valide Monografien oder Leitfäden finden.
Hier ist eine kleine Auswahl von frei zugänglichen Informationen im Internet:
- http://clincalc.com/Kinetics/ObesityDosing.aspx (Tabelle mit Dosierungsangaben für knapp 30 Wirkstoffe, erstellt von einem klinischen Pharmazeuten mit Spezialisierung in Intensivmedizin)
- Dosierungsempfehlungen des kanadischen RQHR Pharmacy Service („Obese Patients – Medication Dosing RQHR„)
- www.asco.org/practice-guidelines (Leitlinien und Hilfsmittel zur Dosierung von Chemotherapien für adipöse Krebspatienten)
Anm.: Alle drei Quellen stammen soweit beurteilbar von firmenunabhängigen Experten, erscheinen also valide. Die Aktualität kann z.T. nur anhand der verwendeten Literatur beurteilt werden und ist für die verschiedenen Wirkstoffe unterschiedlich.
von Dorothee Dartsch, CaP Campus Pharmazie GmbH, Hamburg