© terovesalainen | stock.adobe.comASS wird in der Sekundärprävention von Herzkreislauferkrankungen standardmäßig mit 100mg/d eingesetzt. Aber ist das „One size fits all“-Konzept hier angemessen?
In einem systematischen Review wurden individuelle Patientendaten aus randomisierten Studien zur Primär- und Sekundärprävention mit ASS ausgewertet. Dabei wurde unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Raucher/Nichtraucher, BMI und ASS-Darreichungsform die Wirkung mit dem aktuellen Körpergewicht (binär: über oder unter 70 kg) korreliert.
Ergebnis
In den Studien zur Sekundärprävention reduzierte ASS in Dosierungen zwischen 75 und 100 mg pro Tag das Risiko nur bei Patienten, die weniger als 70 kg wogen um 33% (HR 0,67, 95% CI 0,54-0,84), aber nicht bei Patienten, die 70 kg oder mehr wogen (HR 1,01, 95% CI 0,75-1,37).
Bei höherer Dosierung (325 mg/Tag) verhielt es sich umgekehrt: Patienten, die weniger als 70 kg wogen, profitierten insgesamt nicht (HR 0,95, 95% CI 0,76-1,18), aber Patienten über 70 kg hatten ein um 27% niedrigeres Risiko (HR 0,73, 95% CI 0,58-0,93).
Das Blutungsrisiko wird erwartungsgemäß in allen Konstellationen gleichermaßen erhöht, mit Ausnahme der niedrigen Dosis bei Patienten, die mehr als 90 kg wogen.
Sollten diese Ergebnisse durch weitere Studien bestätigt werden, bedeutet dies, dass ein Großteil der Patienten (diejenigen, die schwerer als 70 kg sind) mit ASS 100 untertherapiert ist. Die Leitlinienempfehlungen müssen in dem Fall dahingehend überarbeitet werden, dass ASS in mehreren Stufen körpergewichtsbasiert dosiert wird.
Quelle
Rothwell PM, Cook NR, Gaziano JM et al. Effects of aspirin on risks of vascular events and cancer according to bodyweight and dose: analysis of individual patient data from randomised trials. Lancet. 2018; 392(10145):387-99.
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Schreibt die Studie auch was über die Häufigkeit von Nebenwirkungen (vor allem GI- Blutung oder Ulcus) in Abhängigkeit von der Dosierung?
Das Blutungsrisiko war unter ASS gegenüber Placebo erhöht. In der Gruppe mit niedriger ASS-Dosis (<= 100mg/d) lag es in den Gewichtsgruppen zwischen 50 und 90 kg ohne signifikaten Unterschiede bei 1,5- bis 2-fach. Nur in der Gruppe 90-100kg war es nicht erhöht. In der Gruppe mit höherer Dosis (>=300mg/d) war das Risiko in den Gewichtsklassen 60-90kg (unter 60kg war bei dieser Dosierung gar nicht vertreten) ebenfalls unter 2-fach, nur in der Gewichtsklasse 90-100kg war es verdreifacht.
Das deutet darauf hin, dass bis 70kg die Dosierung 100mg/d und zwischen 70 und 90kg die Dosierung über 300mg/d optimal ist, ohne dass die höhere Dosierung mit einem höheren Blutungsrisiko erkauft wird. Das ist erst in der Gewichtsklasse 90-100kg der Fall, die eher 500mg/d braucht, um das kardiovaskuläre Risiko effektiv zu senken.
Gute Frage, Thomas! 🙂