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COPD-Therapie 2022 – Update

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Das Telefon klingelt. Sie heben ab, es meldet sich ein Lungenfacharzt: Dr. T sei gerade in der Sprechstunde gewesen wegen seiner COPD. (Dr. T. ist Hausarzt im Ruhestand. Früher hatte er seine Praxis neben der Apotheke, Sie kennen sich gut und haben etliche Medikationsanalysen zusammen bearbeitet.) Er hätte doch neulich schon mit Ihnen über eine mögliche Umstellung der Medikation gesprochen, weil er so schlecht Luft bekommt. Ob Sie da was Bestimmtes im Kopf gehabt hätten?*

Was könnte das sein? Welche Therapieoptionen gibt es? Was sagt die Leitlinie?

„Die Leitlinie“ ist im Fall der COPD der jährlich aktualisierte GOLD-Report [1]. Er beschreibt die evidenzbasierte Diagnostik, Behandlung und Prävention der COPD.

Was ist neu?

Änderungen zum Vorjahr betreffen im Wesentlichen COVID19-bezogene Empfehlungen und Impfungen, aber auch Kriterien für den Einsatz von inhalativen Corticosteroiden (ICS). Die Evidenz für die Pharmakotherapie hat sich dahingehend gebessert, dass ein systematischer Review nun belegen konnte, dass das forcierte exspiratorische Volumens ( FEV1) unter der leitliniengerechten Therapie im Schnitt um 5ml pro Jahr weniger abnimmt als ohne Therapie [2].

Therapieziele sind die Besserung der Symptome, die Vermeidung von Exazerbationen und die Prävention der Progression. Die Wahl der Wirkstoffe richtet sich nach dem Schweregrad der Symptomatik und nach Häufigkeit und Schweregrad von Exazerbationen:

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Bronchodilatatoren

Dazu gehören Beta2-Agonisten – kurzwirksame (short-acting) SABA und langwirksame (long-acting) LABA – und Muskarin-(M3)-Antagonisten – kurzwirksame (short-acting) SAMA und langwirksame (long-acting) LAMA. Kurzwirksame kommen wenn überhaupt, dann nur bei Patienten zum Einsatz, die nur gelegentlich COPD-Beschwerden haben. Dann können SABA und SAMA zwecks besserer Wirkung kombiniert werden. Im Unterschied zum Asthma ist für die COPD bislang kein Zusammenhang zwischen einer Beta2-agonistischen Monotherapie und Verschlechterung der Lungenfunktion oder Mortalität belegt.

Beta2-AgonistenMuskarin-Antagonisten
Kurzwirksam (6-8h)Salbutamol, Terbutalin, FenoterolIpratropium
Langwirksam (>12h)Formoterol, Salmeterol, Indacaterol, OlodaterolTiotropium, Aclidinium, Glycopyrrolat, Umeclidinium
Dosisabhängige UAWTachykardie, Arrhythmie, Tremor, HypokaliämieMundtrockenheit; Ipra: bitter-metallischer Geschmack
Bronchodilatatoren nach Gruppe und Wirkdauer. UAW – Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Muskarin-Antagonisten sind den Beta2-Agonisten klinisch leicht überlegen (SAMAs vs. SABAs und LAMAs vs. LABAs).

In der Regel ist eine Kombination verschiedener Bronchodilatatoren einer hochdosierten Monotherapie hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen.

Zu den Bronchodilatatoren gehört außerdem Theophyllin. Es hat bei stabiler COPD eine leicht bessere Wirksamkeit als Placebo. In Kombination mit Salmeterol ist die Wirkung auf FEV1  und Dyspnoe etwas besser als die der Salmeterol-Monotherapie. Der therapeutische Bereich ist schmal, und klinische Wirksamkeit wird erst in nahezu toxischen Dosisbereichen gesehen. Für Theophyllin sollte ein TDM erfolgen.

Antiinflammatorische Wirkstoffe

Inhalative Corticosteroide

Im Vergleich zum Asthma ist die Wirksamkeit von ICS bei COPD begrenzt und daher kein Standard. Hinzu kommt der Verdacht auf Zusammenhänge zwischen ICS-Einsatz einerseits und Lungenkrebs, Osteoporose, Glucoseintoleranz und Katarakt andererseits. Die Studienlage kann diese potenziellen Assoziationen derzeit weder belegen noch entkräften.

Bei Patienten mit Exazerbationen war die Kombination aus ICS und LABA allerdings wirksamer bzgl. der Vermeidung weiterer Exazerbationen sowie bzgl. der Verbesserung der Symptomatik. Die Wirksamkeit des ICS ist darüber hinaus proportional zur Zahl der Eosinophilen im Blut. Für die Wirksamkeit systemisch angewendeter Corticosteroide gibt es außerhalb der Behandlung einer akuten Exazerbation keine Evidenz. Im täglichen Management hat die systemische Anwendung daher keine Rolle.

Unerwünschte Wirkungen der ICS sind hauptsächlich Mundsoor, Heiserkeit, Blutergüsse und Pneumonie.

Die Wahl des Inhalators sollte von der Wirksamkeit, den Fähigkeiten des Patienten zur korrekten Handhabung und den Patientenpräferenzen abhängig gemacht werden. Die Schulung zur richtigen Anwendung ist essenziell.

Wenn die Therapie nicht wirksam genug ist:

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Phosphodiesterase-4 (PDE4)-Inhibitor Roflumilast

Kann alternativ zum ICS eingesetzt werden, d.h. nach COPD-Exazerbationen, allerdings ist die Verträglichkeit schlechter. Hauptsächlich treten als UAW Diarrhoe, Übelkeit, Appetit- und Gewichtverlust, Bauch- und Kopfschmerzen sowie Schlafstörungen auf.

Antibiotika

Anders als in früheren Studien, die für den kontinuierlichen Einsatz von Antibiotika keinen Nutzen feststellen konnten, zeigen neuere Studien, dass Azithromycin (250mg/d oder 3x 500mg/Woche) und Erythromycin (2x 250mg/d) die Exazerbationshäufigkeit vermindern können. Auf der Kehrseite stehen die Resistenzentwicklung sowie QT-Verlängerung und Abnahme des Hörvermögens.

Mukolytika

N-Acetylcystein, Ambroxol u.a. Schleimlöser können das Befinden verbessern und evtl. Exazerbationen vermeiden, allerdings ist die Evidenz hierfür noch unzureichend.

Kein Einsatz für…

Nedocromil, Leukotrien-Inhibitoren, Infliximab, Simvastatin, Metoprolol, Vitamin D, Antitussiva, Vasodilatatoren, es sei denn, es gibt jeweils eine anderweitige Indikation dafür. Für den Einsatz von Mepolizumab und Benralizumab ist die Evidenz noch nicht ausreichend.

Quellen

[1] Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease (2022) https://goldcopd.org/wp-content/uploads/2021/12/GOLD-REPORT-2022-v1.1-22Nov2021_WMV.pdf [Zugriff 05.05.2022]

[2] Celli BR et al.: Pharmacotherapy and Lung Function Decline in Patients with Chronic Obstructive Pulmonary Disease. A Systematic Review. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203(6):689-698

Online-Seminare zum Thema

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* Nach einer wahren Begebenheit.

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