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Richtiger Umgang mit Statin-Makrolid-Kombinationen

© A. Hartung | fotolia

Die Kombination einiger Vertreter der Statine und der Makrolid-Antibiotika kann zu Myopathien und im Extremfall zur Rhabdomyolyse führen. Die Interaktion beruht auf dem Enzym CYP 3A4 und den hepatischen Transportern OATP 1B1 oder 1B3 (physiologische Rolle: Aufnahme von z.B. Gallensalzen aus dem Blut in Hepatozyten zum Weitertransport ins biliäre System). Sie tritt dann auf, wenn das Makrolid genau die Struktur blockiert, für die das betreffende Statin ein Substrat ist. In der Folge ist die Halbwertszeit des Statins verlängert. Wenn die Dosis gleich bleibt, steigt daher seine Konzentration – u.U. in den toxischen Bereich.

Interaktionsdatenbanken warnen zuverlässig vor der Interaktion und geben auch generelle Empfehlungen, wie damit umzugehen ist. Allerdings bringen Patienten individuelle Einflussfaktoren mit, Lieferengpässe verhindern die Umstellung auf einen nicht-interagierenden Wirkstoff, und überhaupt tauchen diese Warnmeldungen ja bevorzugt dann auf, wenn kein Arzt erreichbar ist.

Oft sind darum individuelle Lösungsvorschläge oder auch kurzfristige individuelle Entscheidungen gefordert. Das erfordert eine Bewertung der Risiken – sowohl des Risikos der gemeinsamen Einnahme als auch des Risikos auf den Verzicht auf das Statin oder das Makrolid.

Die folgende Tabelle stellt die Bedeutung von CYP3A4 und OATP 1B1/1B3 für die Statine und Makrolide dar:

Aus der Tabelle lässt sich ableiten, dass Azithromycin das Makrolid mit dem geringsten Interaktionspotenzial für die Statine darstellt. Einzelne Fallberichte beschreiben auch hier eine Rhabdomyolyse, die genaue Ursache dafür ist aber nicht klar.

Clarithromycin, Erythromycin und Roxithromycin sind für Rosuva-, Fluva- und Pravastatin in der Regel kein Problem. Die Kombination mit Simvastatin ist für beide Makrolide kontraindiziert (berichtet sind AUC-Anstiege unter 40mg/d Simvastatin um Faktor 10 und mehr) – kann auf das jeweilige Makrolid nicht verzichtet werden, sollte Simvastatin pausieren.

Für die Kombination von Atorvastatin mit Clari-, Ery- oder Roxithromycin ist ein differenzierteres Vorgehen beschrieben (der AUC-Anstieg unter 10mg/d Atorvastatin durch die drei o.g. Makrolide liegt nur in der Größenordnung von Faktor 2 bzw. bei Faktor 4,5 für 80mg/d): Nach Möglichkeit sollte auch diese Kombination vermieden werden, z.B. indem Atorvastatin vorübergehend gestoppt wird. Bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko sollte allerdings keine Statinpause erfolgen, um das Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallrisiko nicht zu erhöhen. Kann weder vom Makrolid noch vom Atorvastatin abgewichen werden, kann die Atorvastatindosis vorübergehend auf maximal 20mg/d reduziert werden.

Wenn Erythromycin nicht kurzfristig als Antibiotikum, sondern langfristig als Prokinetikum eingesetzt wird, so dass eine permanente Interaktion besteht, sollte bevorzugt auf Rosuva-, Fluva- oder Pravastatin umgestellt oder alternativ Atorvastatin dauerhaft auf 20mg/d begrenzt werden. Die aktivierende Wirkung von Erythromycin auf die intestinale Motilität kann die Spiegel dieser und anderer Statine geringfügig senken, was aber klinisch als nicht relevant gilt.

Patienten sollten darüber informiert werden, worauf zu achten ist und wann sie sich an einen Arzt wenden sollten. Myopathiesymptome umfassen beidseitige unerklärbare Muskelschwäche oder -schmerzen bevorzugt in den langen Muskeln des Rückens und der Beine. Später kommt es zur Dunkelfärbung des Urins. Treten derartige Symptome auf, muss das Statin sofort gestoppt werden, um eine Schädigung der Niere durch die Anflutung der aus den Muskelzellen freigesetzten Proteine zu vermeiden.

Quellen:

SPS: Managing interactions between macrolides and statins. Stand: 24. November 2023. https://www.sps.nhs.uk/articles/managing-interactions-between-macrolides-and-statins/

Lipp HP: Auswahl von Statinen vor dem Hintergrund neu verfasster Lipidleitlinien. Arzneimitteltherapie 2020; 38:117-24

Kalliokoski A et al.: Impact of OATP transporters on pharmacokinetics. Br J Pharmacol 2009 Oct; 158(3):693-705

Abu Mellal A et al.: The clinical significance of statins-macrolides interaction: comprehensive review of in vivo studies, case reports, and population studies. Ther Clin Risk Manag 2019; 15:921-936

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