Welche Ziele eine Therapie anstreben sollte, ist in Leitlinien beschrieben, so auch für den Blutdruck. Mit neuen Studien und neuen Erkenntnissen können diese Ziele sich immer mal wieder ändern – und damit auch die ärztlichen Verordnungen. Das sollte bei der Medikationsanalyse in der Apotheke berücksichtigt werden. Wo liegen die aktuellen Blutdruckziele speziell für Patienten im höheren Lebensalter?
Die aktuelle 2021 ESC Guideline on cardiovascular disease prevention in clinical practice [1] empfiehlt zunächst pauschal einen systolischen Blutdruck (SBD) von <140/90 mmHg. Dieses Ziel soll an das Alter und spezifische Begleiterkrankungen adaptiert werden:
- Erwachsene unter 70 Jahren: SBD ultimativ bei 120 – 130 mmHg
- Patienten über 70: SBD <130 mmHg, sofern das vertragen wird, sonst <140 mmHg
- Alle Patienten: Ziel für den diastolischen Blutdruck <80 mmHg
Damit werden die Ziele der älteren Hypertonie-Leitlinie [2] im wesentlichen bestätigt.
Dieses Ziel soll initial mit einer Zweierkombination angestrebt werden [1,2], die einen RAS-Blocker (ACE-Inhibitor oder AT-Rezeptorblocker) und einen Kalziumkanalblocker oder ein Diuretikum enthält, aber die Kombinationen eines dieser Wirkstoffe mit einem Betablocker ist auch möglich (insbesondere bei Herzinsuffizienz, Angina pectoris, post-Herzinfarkt, Vorhofflimmern oder bei geplanter Schwangerschaft). Die erste Intensivierungsstufe ist eine Dreierkombination dieser Wirkstoffe.
In Reserve befinden sich zur weiteren Eskalation Schleifen- und kaliumsparende Diuretika sowie Alphablocker und Clonidin.
Internationaler Vergleich
Ein Vergleich von Hypertonie-Leitlinien weltweit [3] zeigt jedoch auch Unterschiede der Empfehlungen. Von 34 Leitlinien, die sich zu Blutdruck-Zielwerten für ältere Patienten äußern, empfehlen 20 für Patienten über 70 Jahren einen höheren, weniger strengen Zielwert als für Jüngere, drei empfehlen ein niedrigeres Ziel. In 18 Leitlinien liegt die empfohlene obere Grenze für den SBD bei 150 mmHg, in vier Leitlinien werden 130 (USA 2017+2019, Malaysia 2018, Brasilien 2019) in einer sogar nur 120 mmHg (Australien 2016) als Maximum gesetzt. Allerdings weisen die meisten Empfehlungen darauf hin, dass die Verträglichkeit berücksichtigt werden soll.
Von Nachteil ist, dass die Leitlinien die Zielwerte in der Regel in Abhängigkeit vom chronologischen Alter angeben [3]. In Anbetracht der Heterogenität der Altersgruppe wäre das biologische Alter besser geeignet – allerdings sind die Kriterien komplex und schwieriger zu erheben. Es sollte daher nicht erstaunen, dass die Leitlinien-Zielwerte im Einzelfall individuell angepasst und die antihypertensive Therapie entsprechend mehr oder weniger streng sein können.
Quellen
[1] 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. European Heart Journal (2021) 42, 3227-3337
[2] 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. European Heart Journal (2018) 39, 3021–3104
[3] Bogaerts et al.: Do we AGREE on the targets of antihypertensive drug treatment in older adults: a systematic review of guidelines on primary prevention of cardiovascular diseases. Age and Ageing 2021; 1–14
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