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Orale Krebstherapie und Säureblocker – Wann geht was?

Bei vielen oral verfügbaren Onkologika, wie z.B. Gefitinib und Erlotinib, hängt die Löslichkeit und damit die Bioverfügbarkeit vom pH-Wert des Magens ab. Zugleich nehmen viele Menschen Arzneimittel, die den Magen-pH senken (meist PPI oder H2RA), z.B. weil sie sonst Refluxprobleme haben. Ein Studie [1] ist der Frage nachgegangen, ob die Interaktion klinisch so relevant ist, dass die Interaktion in geeigneter Form umgangen werden muss.

Ergebnisse

Die mediane Überlebenszeit (median overall survival) der SCLC-Patienten mit den Tyrosinkinasehemmern Gefitinib oder Erlotinib war am längsten in der Gruppe ohne Säureblocker (21,87 Monate), gefolgt von der Gruppe mit H2-Rezeptorantagonisten, H2RA (17,67 Monate), und am kürzesten in der Gruppe mit Protonenpumpenhemmern, PPI (14,35 Monate). Die Unterschiede waren statistisch signifikant (p < 0.0001).

Auch in der adjustierten Hazard Ratio (aHR), also dem Risikoverhältnis zwischen den verschiedenen Behandlungsgruppen, zeigte sich der Zusammenhang zwischen der PPI-Einnahme und dem erhöhten Risiko für eine verkürzte Überlebenszeit: unter Gefitinib betrug die aHR 1,58 (95% CI 1,42–1,76), unter Erlotinib 1,54 (95% CI 1,30–1,82). Bei der Einnahme von H2RA zeigte sich eine statistisch relevante Erhöhung des Risikos nur für Gefitinib (aHR = 1,14; 95% CI 1,05–1,24), nicht aber für Erlotinib (aHR = 1,00; 95% CI 0,87–1,15).

Methodik

Es handelte sich um eine retrospektive Kohortenstudie auf der Datenbasis der taiwanesischen Krebs- und Sterberegister sowie des (einzigen) nationalen Versicherungsträgers und Gesundheitsversorgers NHI im Zeitraum 01.01.2010 bis 30.12.2018. Eingeschlossen wurden erwachsene Patient*innen mit fortgeschrittenem, EGFR-mutiertem Bronchial-Adenokarzinom, die ein First-Line-Therapie mit Gefitinib oder Erlotinib erhielten. Patienten, die im Behandlungszeitraum an mindestens 20% der Tage einen PPI erhielten, wurden der PPI-Gruppe zugerechnet, Patienten, die an mindestens 20% der Tage einen H2RA erhielten, der H2RA-Gruppe. Neben den Therapie- und demografischen Daten wurden auch Daten zu möglichen Confoundern (z.B. Alter, Geschlecht, Tumorstadium, Rauchen) erhoben. Weitere Arzneimittel, die mit den beiden TKI interagieren können, wurden allerdings ebensowenig erfasst, wie Säureblocker, die als Selbstmedikation erworben wurden.

Die erreichten Fallzahlen waren am Ende wie folgt: 4340 Patienten mit Gefitinib, davon 604 mit PPI, 894 mit H2RA und 2842 ohne Säureblocker, und 1635 Patienten mit Erlotinib, davon 293 mit PPI, 426 mit H2RA und 916 ohne Säureblocker.

Schlussfolgerung

Die Autoren schließen aus ihren Daten, dass die Interaktion klinisch relevant ist, so dass Patienten mit Gefitinib oder Erlotinib, die einen Säureblocker benötigen, eher H2RA als PPI erhalten sollten.

Zum selben Ergebnis kam auch eine systematische Übersichtsarbeit, in der Studien zum selben Thema aus den Jahren bis 2020 ausgewertet wurden [2].

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Bildnachweis: © ralph mayhew | unsplash

Literatur

[1] Lee CH et al.: Proton pump inhibitors reduce the survival of advanced lung cancer patients with therapy of gefitinib or erlotinib. Sci Rep. 2022 Apr 29;12(1):7002. doi: 10.1038/s41598-022-10938-x

[2] Du X et al.: Impact of the Gastric Acid Suppressant Use on the Safety and Effectiveness of EGFR-TKIs: A Systematic Review and Meta-Analysis. Front Pharmacol. 2022 Jun 20;13:796538. doi: 10.3389/fphar.2022.796538

Ein Gedanke zu „Orale Krebstherapie und Säureblocker – Wann geht was?“

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