Zum Inhalt springen

Statine bei Lebererkrankung – geht das?

Statine bei Lebererkrankungen © www_slon_pics | pixabay

Eine aktive Lebererkrankung oder eine unklare andauernde Erhöhung der Aminotransferasen (um mehr als das Dreifache des oberen Normwertes) sind Kontraindikationen für ein Statin [1]. Andererseits gibt es immer mehr Hinweise, dass das Risiko für Folgekomplikationen einer Leberzirrhose, wie Dekompensation oder das hepatozelluläre Karzinom, durch Statine gesenkt wird [2,3,4,5]. Hat diese neuere Erkenntnis Auswirkungen auf das Ergebnis der Medikationsanalyse durch Apotheker und Arzt?

Pharmakokinetik und Dosierung

Wenn die Therapieentscheidung trotz der Zirrhose zugunsten eines Statins fällt, spielen Pharmakokinetik und Dosierung eine wichtige Rolle für das Nutzen-Risiko-Verhältnis.

Ein aktueller Review [6] beschreibt die Pharmakokinetik von Rosuvastatin und Pitavastatin bei einem Child-Pugh Score (CPS) Klasse A (Rosuvastatin auch bei CPS B) als nahezu unverändert. Für Atorvastatin gibt es nur Angaben in der Fachformation, dass cmax annähernd 16-fach und die AUC annähernd 11-fach erhöht seien, erstaunlicherweise aber keine Originalliteratur, ebensowenig wie für Simvastatin.

Unerwünschte wirkungen

Derselbe Review [6] beschreibt, dass Simvastatin 20mg, Pravastatin 40mg und Atorvastatin 20mg pro Tag bei CPS A-Patienten keine muskulären Beschwerden hervorriefen. Eine kleine Studie [7] ergab, dass Myopathien unter 40mg Simvastatin zwar auftraten, aber durch kurze Statinpausen beherrschbar waren, Lebertoxizität trat nicht auf.

Ein weiterer Review [8] berichtet zusätzlich, dass Statine bei schwerer Zirrhose (Model for End-stage Liver Disease (MELD) Score > 12 bzw. CPS Klasse C) gar nicht gegeben und dass Simvastatin bei Patienten mit Leberzirrhose mit maximal 20 mg/d dosiert werden sollte. In beiden Fällen traten andernfalls vermehrt Muskelbeschwerden auf.

Insgesamt ist die Datenlage zu Statinen bei Leberzirrhose jedoch sehr dünn. Um so wichtiger ist es, das Monitoring im Blick zu haben. Dazu findet sich ein früherer Blogartikel hier.

Komplex wird die Fragestellung auch durch den Einfluss genetischer Polymorphismen. So scheint eine Loss‐of‐function-Variante des SLCO1B1-Gens die Schutzwirkung der Statine bei Zirrhose zu reduzieren [9]. Je mehr hierüber zukünftig bekannt wird, desto zielgenauer werden Wirkstoffauswahl und Dosierung für den einzelnen Patienten sein können.

Fazit

Wenn sich in weiteren Studien bestätigt, dass Statine gerade auch bei Lebererkrankungen wie chronischer Hepatitis, Zirrhose und Nicht-Alkohol-bedingter Fettlebererkrankung einen Nutzen haben, wird man sie immer häufiger in den Medikationsplänen und Brown-Bags solcher Patienten finden und muss entscheiden, ob eine Intervention notwendig ist oder nicht. Auf der Grundlage der oben beschriebenen Studien bieten sich drei Aspekte an, die für eine Intervention sprechen:

  • hohe Dosierung des Statins
  • fehlendes Monitoring
  • hochgradige Erkrankung, v.a. CPS Klasse C

Wenn der Grad der Lebererkrankung nicht bekannt ist, können einige definierte Begleiterscheinungen der Zirrhose und typische Medikamente zumindest einen Hinweis geben.

Online-Seminare zum Thema

Um die Arzneimitteltherapie bei Patienten mit Lebererkrankungen geht es in unserem moderierten Online-Seminar „Patienten mit Eliminationsstörungen„. Außerdem gehören dazu die Patienten mit Niereninsuffizienz, Polymorphismen und multimorbide Patienten. Nicht nur die veränderte Pharmakokinetik (die vertieft im Seminar „Angewandte Pharmakokinetik“ behandelt wird) spielt hier eine Rolle, sondern auch die Erkennung dieser Patienten in der Apotheke und die Berücksichtigung der Nebenwirkungsprofile, um die Begleiterscheinungen der Erkrankungen an sich nicht weiter zu verstärken.

Details zum Ablauf unserer Seminare, was sie von den üblichen Live-Online-Veranstaltungen unterscheidet und was sie kosten, finden Sie auf unserer Angebotsseite. Melden Sie sich hier an.

Quellen

[1] Fachinformationen Zocor© 20mg, Stand Feb 2021, Sortis© 20 mg, Stand Juli 2021. Crestor© 5mg, Stand Juli 2021.

[2] Chiu WC et al.: Statins and the risks of decompensated liver cirrhosis and hepatocellular carcinoma determined in patients with alcohol use disorder. Drug Alcohol Depend 2021; 228:109096

[3] Cheung KS et al.: Statins associate with better clinical outcomes in chronic hepatitis B patients with HBsAg seroclearance. Hepatol Int 2021; 15(4):881-891

[4] Gu Y et al.: Comprehensive evaluation of effects and safety of statin on the progression of liver cirrhosis: a systematic review and meta-analysis. BMC Gastroenterol 2019; 19(1):231

[5] Vahedian-Azimi A et al.: Statin therapy in chronic viral hepatitis: a systematic review and meta-analysis of nine studies with 195,602 participants. Ann Med 2021; 53(1):1227-1242

[6] Sung S et al.: A systematic review on pharmacokinetics, cardiovascular outcomes and safety profiles of statins in cirrhosis. BMC Gastroenterol 2021; 21(1):120

[7] Muñoz AE et al.: Safety of Chronic Simvastatin Treatment in Patients with Decompensated Cirrhosis: Many Adverse Events but No Liver Injury. Dig Dis Sci 2021; 66(9):3199-3208

[8] Muñoz AE et al.: Addition of statins to the standard treatment in patients with cirrhosis: Safety and efficacy. World J Gastroenterol 2021; 27(28):4639-4652.

[9] Merkel M et al.: Protective Effects of Statin Therapy in Cirrhosis Are Limited by a Common SLCO1B1 Transporter Variant. Hepatol Commun 2021; 5(10):1755-1766

Bildnachweis: © www_slon_pics | pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert